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HHO zieht Revision zurück

24.07.2025

Einzelfall macht strukturelle Schwächen der Inklusion sichtbar

HHO zieht Revision zurück

Der Fall einer Person mit hohem Unterstützungsbedarf, deren Verbleib in einer Wohneinrichtung der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück (HHO) gerichtlich verhandelt wurde, hat in den vergangenen Monaten viele Menschen bewegt.
Über Jahre hinweg hat die HHO die Bewohnerin mit großer fachlicher Kompetenz und menschlicher Zuwendung begleitet. Die Begleitung war geprägt vom Bemühen, Teilhabe zu ermöglichen und ein verlässliches Lebensumfeld zu schaffen – auch unter sehr herausfordernden Bedingungen. Doch die Grenzen des bestehenden Unterstützungssystems wurden zunehmend spürbar: Die notwendige personelle Ausstattung, um dieser besonderen Situation gerecht zu werden, war dauerhaft nicht finanzierbar. In dieser schwierigen Lage sah sich die HHO gezwungen, die Kündigung auszusprechen – ein Schritt, der niemandem leichtfiel. Das Amtsgericht Osnabrück urteilte im Februar 2025 gegen die HHO (die NOZ berichtete ebenfalls davon), woraufhin Revision eingelegt wurde – diese wurde nun bewusst zurückgezogen.

Entscheidung mit Verantwortung und Weitblick

„Wir haben uns bewusst gegen eine weitere juristische Auseinandersetzung entschieden“, erklärt Jörg Richter, Geschäftsführer der HHO. „Nicht, weil wir unsere Position aufgegeben hätten – sondern weil wir Verantwortung übernehmen. Für die betroffene Frau. Und für eine Debatte, die größer ist als ein einzelner Fall.“

Nach erster Einschätzung waren die Erfolgsaussichten der Revision gering. Die HHO möchte ihre Energie und Ressourcen stattdessen in die dringend notwendige strukturelle Diskussion investieren: Wie kann eine inklusive Begleitung auch für Menschen gelingen, die eine intensive Begleitung erfordern?

Fortschritt durch Dialog

Ein erster wichtiger Schritt ist bereits gelungen: Der zuständige Kostenträger hat nach langem Zögern zusätzliche Mittel für die Begleitung der Bewohnerin zugesagt. Diese sogenannte Einzelvereinbarung gilt zunächst bis Ende diesen Jahres und deckt zumindest die erheblichen Mehraufwendungen, die die HHO bislang aus eigenen Mitteln getragen hat.

„Dass wir nun zumindest eine befristete Unterstützung erhalten, ist ein wichtiges Signal – auch wenn es noch keine dauerhafte Lösung ist“, so Richter. „Wir hoffen, dass daraus ein nachhaltiger Dialog mit dem Kostenträger entsteht. Der Fall hat gezeigt, dass es Öffentlichkeit braucht, um Bewegung in festgefahrene Strukturen zu bringen.

Inklusion braucht Haltung – und eine tragfähige Basis

Trotz der schwierigen Umstände sieht die HHO auch positive Entwicklungen:

Die bewusste Entscheidung, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu gehen, hat ein gesellschaftlich relevantes Thema sichtbar gemacht.
Inklusion ist ein Menschenrecht – aber sie ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie braucht eine verlässliche finanzielle Basis, auch und gerade für Menschen mit komplexem Unterstützungsbedarf.
Die öffentliche Diskussion hat Impulse gesetzt – in der Fachwelt, bei Kostenträgern und in der Politik.

„Wir verstehen uns als Anwältin für Menschen mit Unterstützungsbedarf – auch wenn es schwierig wird“, betont Jörg Richter. „Dieser Fall hat deutlich gemacht, dass Inklusion nicht nur ein Ideal ist, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Ressourcen, Haltung und Mut erfordert.“

Ausblick

Die HHO wird sich weiterhin mit Nachdruck für bessere Rahmenbedingungen einsetzen – für die betroffene Frau und für viele andere Menschen, die auf intensive Assistenz angewiesen sind, um an einer inklusiven Gesellschaft teilhaben zu können. Der Fall steht exemplarisch für eine Entwicklung, die viele Einrichtungen betrifft: Die Anforderungen an die Begleitung in besonderen Wohnformen steigen, weil immer mehr Menschen mit sehr komplexem Unterstützungsbedarf auf diese Angebote angewiesen sind. Diese Veränderung stellt das bestehende System vor große Herausforderungen. Unser Ziel war es, durch den Rechtsweg grundlegende Veränderungen zu bewirken. Der Fall hat gezeigt: Wenn alle Beteiligten bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, kann Veränderung gelingen.