"Es war ein emotionaler Moment“
Ukrainische Geflüchtete mit komplexer Beeinträchtigung bekommt in der HHO-Tagesförderstätte ihren ersten Rollstuhl.
Der Krieg in der Ukraine hat Hunderttausende in die Flucht getrieben, darunter viele Menschen mit Beeinträchtigung. Eine von ihnen ist Viktoriia Senko. Seit Mai dieses Jahres wird die junge Frau in der Tagesförderstätte der HHO betreut.
Ende März entschied sich Olena Senko zur Flucht. „Die Einschläge der Raketen kamen immer näher“, blickt sie zurück. Verwandte liehen ihr ein Auto, mit dem sie sich aus dem Oblast Sumy im Osten des Lands auf den Weg in Richtung Polen machte – auf der Rückbank liegend: ihre schwerst-mehrfachbeeinträchtigte 25jährige Tochter Viktoriia. Der Fluchtweg führte sie nach Osnabrück. Hier lebt seit einigen Jahren Olenas Schwester. Ihr Mann und ihr Sohn blieben in der Ukraine zurück, um wie so viele andere Männer bei der Verteidigung des Landes zu helfen.
Eingliederungshilfe vermittelt zur HHO
In Osnabrück kamen Tochter und Mutter zunächst bei deren Schwester unter, bevor sie eine Wohnung in einer Gemeinschaftsunterkunft beziehen konnten. Über die Eingliederungshilfe der Stadt Osnabrück wurde der Kontakt zwischen den beiden und der HHO hergestellt. Im Mai besuchten sie erstmalig die Tagesförderstätte der HHO in Sutthausen, eine teilstationäre Einrichtung mit individuellen Förderangeboten für Personen mit hohem Unterstützungs- und Pflegebedarf. „Viktoriia wurde von ihrer Mutter im Kinderwagen zu uns geschoben“, erinnert sich Nina Wethkamp vom Sozialdienst der HHO an die erste Begegnung, „das war für uns ein ungewöhnlicher Anblick“. Trotz hoher Temperaturen trug Viktoriia zudem eine Skihose – die Hose, mit der sie im März geflüchtet war.
Neuer Rollstuhl für mehr Lebensqualität
Nina Wethkamp nahm umgehend Kontakt zur Firma Gehrmeyer auf, um sich nach einem Leih-Rollstuhl für die neue Teilnehmerin zu erkundigen. „Anhand der uns mitgeteilten Anhaltspunkte haben wir einen möglichst passenden Stuhl in unserem Lager gesucht“, erläutert Carola Görsch von der Firma Gehrmeyer. Nur zwei Stunden später stand der Stuhl bereit. „Es war ein emotionaler Moment für Viktoriia und ihre Mutter, aber auch für uns, als wir Viktoriia erstmalig in den Stuhl setzten“, berichtet Heilerziehungspflegerin Lisa Lux, die aufgrund ihrer Russischkenntnisse derzeit zusätzlich die Funktion einer Dolmetscherin innehat. „Viktoriia hat den Stuhl super angenommen und nimmt sitzend viel mehr von ihrer Umwelt wahr“, fügt ihr Kollege Florian Lidzba hinzu. Für die Mutter bedeutet der Stuhl eine große Erleichterung. Sie muss ihre Tochter jetzt viel seltener in den Armen tragen, etwa beim Essenanreichen. Außerdem kann Viktoriia dank des Stuhls direkt vom Fahrdienst zur Tagesförderstätte gebracht werden.
Größter Wunsch: Frieden in der Heimat
Zwei Tage nach dem ersten Besuch erfolgte die offizielle Aufnahme Viktoriias in die Tagesförderstätte. In der Anfangszeit wich ihre Mutter nicht von ihrer Seite. Mittlerweile verbringt Viktoriia den Tag ohne ihre Mutter in der Einrichtung. „Das war am Anfang schwierig, weil ich meine Tochter bis dahin immer selbst betreut hatte“, erklärt sie, „aber jetzt habe ich ein sehr gutes Gefühl, sie in Betreuung zu geben.“
Vom Kleidsam, dem Second-Hand-Laden der HHO, bekamen Mutter und Tochter zudem sommertaugliche Kleidung gestellt. „Ich bin sehr dankbar dafür, welche Hilfsbereitschaft und Menschlichkeit uns entgegengebracht wird“, sagt die Mutter.
Auch wenn Mutter und Tochter sich mittlerweile in Osnabrück eingelebt haben, so bleibt doch der sehnlichste Wunsch, dass bald wieder Frieden herrscht in die Ukraine und sie dann auch den Rest der Familie wiedersehen.