Wenn die Welt zu laut ist

Am 2. April ist Welt-Autismustag.
Aus diesem Anlass bietet die HHO verschiedene Aktionen und Angebote rund um das Thema - von Info-Praxis-Tagen für angehende Fachkräfte über eine Kunst-Ausstellung bis hin zu einem Kunst- und Literaturabend zum Thema "Autismus".

Autismus-Aktionswochen

Auf den ersten Blick unsichtbar

Autismus ist eine Entwicklungsstörung, keine Krankheit.

Ungefähr 6 von 1.000 Menschen sind Autisten. Ansehen kann man ihnen diese Entwicklungsstörung aber meistens nicht. Das Gehirn dieser Menschen verarbeitet Informationen anders, weshalb sie ihre Umgebung anders wahrnehmen. Es gibt verschiedenste Merkmale und Ausprägungen. So können beispielsweise einige autistische Menschen gar nicht sprechen. Andere sprechen dagegen sogar sehr früh und sehr gut. In den letzten 3 Jahrzehnten hat sich im Bereich der Klassifizierung von psychischen Erkrankungen sowie den verschiedenen Therapie-Möglichkeiten eine Menge getan. Früher blieb ein Fall von Autismus häufig unerkannt bzw. er wurde nicht klar diagnostiziert. So war es auch bei Daniel Okorn.

Daniel Okorn: eine starke Persönlichkeit

Er kam mit gerade einmal 6 Monaten als Pflegekind in die Familie von Anna Lindinger. Seiner Pflegemutter waren schon früh ungewöhnliche Verhaltensweisen aufgefallen. So mochte Daniel es überhaupt nicht, eingecremt zu werden. Oder er wollte immer langärmelige Oberteile tragen - selbst im heißesten Sommer. Aufgrund dieser und noch vieler anderer Besonderheiten habe die Pflegemutter Anna Lindinger eines Tages für sich beschlossen, dass Daniel definitiv ein Autist sein müsse. Therapiebedürftig fand sie das nicht.

"Die Untersuchungs- und Therapieformen vor rund 40 Jahren konnten beängstigend sein. Als die Ärzte meinen Daniel beispielsweise ein Schlafentzugs-EEG unterziehen wollten, habe ich mich geweigert." Fasst Anna Lindinger ihre Erfahrungen zusammen. "Mit den heutigen Methoden kann man da sicherlich ganz anders vorgehen. Aber: In meinen Augen muss ein Kind einfach glücklich sein dürfen, um sich entfalten zu können. Eine stetige Beobachtung und Förderung kann einen Menschen auch überfordern." bringt die liebevolle Pflegemutter es auf den Punkt. Daniel selbst nickt zustimmend und schaut seine Mutter strahlend an: "Ich bin glücklich. Sehr."

Dazu beigetragen hat sicherlich auch, dass Daniel vor rund 10 Jahren den KunstContainer für sich entdeckt hat. Seine Betreuer hatten die Idee, dass er dieses offene Angebot der HHO am Standort Osnabrück-Sutthausen einmal testen sollte, um sich kreativ zu betätigen. Eine sehr gute Idee, wie sich schnell herausstellte.

"Eines Tages kam Daniel zu mir in den KunstContainer. Er nahm ein Blatt Papier und begann zu zeichnen. Als das Blatt voll war, drehte er es um und malte weiter. Es war so, als ob er versucht hätte, die ganze Welt, die sich in seinem Kopf abspielt, auf ein Blatt Papier zu bringen." Erinnert sich Christoph P. Seidel, der die rund 60 Beschäftigten tagtäglich begleitet, die am KunstContainer-Angebot teilnehmen. "Dabei arbeitete Daniel so schnell, sicher und souverän - ich war mir sicher, er macht das schon jahrelang." Wundert sich Seidel noch heute. Denn: es war tatsächlich das 1. Mal, dass Daniel Okorn sich künstlerisch betätigte. Und es sollte nicht das letzte Mal sein.

Beinahe täglich ist Daniel nun im KunstContainer zu finden und es sind bereits ein Vielzahl an interessanten Werken entstanden. Von Sauriern über Figuren aus seinen Lieblings-Comics bis hin zu Pompeji, einer antiken Stadt am Golf von Neapels - diese drei Themenwelten behandelt der Künstler mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit in seinen Werken. Gleichbleibend ist die Technik: sehr detailliert und filigran gearbeitete Motive mit eher dunkler Farbgebung. Viele seiner Bilder können auf den ein oder andere Betrachter bedrohlich wirken.

"Schon als kleines Kind hat Daniel anstatt eines Kuscheltiers immer nur Gruselfiguren mit sich herumgetragen. Dass er sich nun auch mit seiner Kunst eher dunkle und bedrohliche Motive aufs Papier bringt - all das könnte eine Art Schutzhandlung sein oder aber auch der Versuch, Aufmerksamkeit zu bekommen." vermutet Celina Vennemann, die als therapeutische Fachkraft im Autismus-Zentrum der HHO tätig ist. "Seit Daniel bei seiner Pflegemutter lebt, ist ihm nie etwas Schlimmes widerfahren. Aber welche frühzeitigen Prägungen er in seinen ersten 6 Lebensmonaten erfahren hat, wissen wir nicht. Vielleicht gab es Erfahrungen mit Gewalt, Vernachlässigung oder ähnliches. Es ist gut möglich, dass Daniel so versucht, sich selbst vor der Außenwelt zu schützen."

Was wirklich dahinter steckt, darüber lässt sich nur mutmaßen. Sicher ist eins: Daniel Okorns Kunst ist genauso außergewöhnlich wie seine starke Persönlichkeit.

Ausstellung, Kunst-Dialog & Lesung

Einen Teil der Kunstwerke von Daniel Okorn sind von Anfang März bis Anfang April in den Schaufenster-Flächen im HHO-einBlick zu sehen.

Wer ihn persönlich kennenlernen möchte, kommt am 4. April um 19:30 Uhr (Einlass ab 19 Uhr) zum gemeinsamen Kunst-Dialog mit Christoph P. Seidel in das StadtGalerie Café.

Er ist Auftakt des Kunst- und Literaturabends zum Thema "Autismus". Ursprünglich wollten Leo M. Kohl und seine Mutter Franca Peinel aus dem Buch "Asperger mein Leben" lesen, doch leider mussten sie aus persönlichen Gründen absagen. Glücklicherweise konnte die HHO kurzfristig Aleksander Knauerhause für diesen Abend gewinnen. Er liest aus seinem Buch "Autismus mal anders - einfach, authentisch, autistisch." und berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen.

Ein bunter Veranstaltungsabend mit spannenden Inhalten, den man sich in seinem Kalender notieren sollte. Der Eintritt ist übrigens kostenlos.

Herzlichen Dank an den Elternverein Autismus Osnabrück e. V. für die finanzielle Unterstützung. Nur dank Ihrer Spende können wir diesen Abend ermöglich.

Info-Praxis-Tage für angehende Fachkräfte

Auszubildende im Bereich Heilerziehungspflege sowie angehende Erzieher setzen sich während ihrer Schulzeit mit verschiedensten Themen auseinander. Eines davon ist: Autismus-Spektrum-Störung.

Als Ergänzung zum theoretischen Unterricht können angehende Fachkräfte im einBlick der HHO mit dem Autismus-Wahrnehmungsparcours einen praktischeren Bezug bekommen. Diese Möglichkeit nutzen die Schüler der Diakonie Pflegefachschule, die sich bereits im 3. Lehrjahr zur Fachkraft in der Heilerziehungspflege befinden. Am 17. April besucht diese Schulklasse das einBlick-Team, um sich den spannendes Parcours-Aufgaben zu stellen und so tiefere EinBlicke in die Autismus-Welt zu erhalten.

Der Autismus-Parcours ist übrigens nur ein Fachthema. Das einBlick-Team hält noch mehr Perspektivwechsel-Erfahrungen für angehende Fachkräfte bereit. Wer mehr erfahren möchte oder mit seiner Klasse selbst mal vorbeikommen möchte, meldet sich einfach beim einBlick-Team.

Veranstaltungen & Angebote im Überblick

  • 1. März - 9. April: Kunst-Ausstellung in den Schaufensterflächen im HHO-einBlick
  • 4. April (Einlass um 19 Uhr): Kunst-Dialog und Lesung im Doppelpack im StadtGalerie Café
  • 17. April: Info-Praxis-Tag mit der Diakonie Pflegefachschule im HHO-einBlick
Autismus - was ist das überhaupt? Welche Ausprägungen und Merkmale gibt es? Wie erleben Autisten die Welt? Einen kleinen Einblick liefert dieses Video.

Impressionen von Daniel Okorn im KunstContainer

Daniel Okorn im Gespräch mit Kunstpädagogik-Studentin Carolin, die derzeit ein Praktikum im HHO-KunstContainer absolviert.

Daniel Okorn im Gespräch mit Kunstpädagogik-Studentin Carolin, die derzeit ein Praktikum im HHO-KunstContainer absolviert.

Die Zusammenarbeit macht beiden sichtlich Spaß (beide strahlen in die Kamera).

Die Zusammenarbeit macht beiden sichtlich Spaß.

Daniel Okorn beim Erstellen einer Zeichnung. Gut zu erkennen ist, wie filigran er arbeitet.

Daniel Okorn beim Erstellen einer Zeichnung. Gut zu erkennen ist, wie filigran er arbeitet.

Das Bild zeigt eine Auswahl verschiedener Werke, die Daniel Okorn erstellt hat.

Auch diese Bildauswahl zeigt, wie detailliert Daniels Werke sind.